Geschichte der Donauschwaben

Dr. Georg Wildmann, Hans Sonnleitner, Karl Weber und Herbert Prokle

Jenen deutschen Stamm, der sich beiderseits der mittleren Donau im pannonischen Zentralraum nach der Befreiung Ungarns von der Türkenherrschaft im 18. Jh. aus Einwanderern der südwestdeutschen, aber auch böhmischen und österreichischen Stammlandschaften entwickelte, bezeichnet die Völkerkunde ab den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Donauschwaben. Die im selben Raume lebenden slawischen und madjarischen Nachbarn hatten diese Deutschen seit ihrer Ansiedlung „Schwaben“ genannt, und der damit naheliegende neustammliche Terminus Donauschwaben erwies sich auch aus historischer Perspektive als besonders geeignet, da die Kennzeichnung „ungarländische Deutsche“ mit der Aufteilung Großungarns nach 1918 hinfällig geworden war.

Deutsche lebten schon seit 10. und 11. Jahrhundert im Zuge der bairischen Ostkolonisation im westlichen Ungarn. Im 12. Jahrhundert riefen die ungarischen Könige gezielt Deutsche ins Land, die sich als Karpatendeutsche (heutige Slowakei) und Siebenbürger Sachsen (heutiges Rumänien) in die abendländische Kulturgeschichte einführten.
Nach der Schlacht von Mohatsch 1526, in der die politisch wie religiös expansiv orientierten islamischen Osmanen siegten und der ungarische König sein Leben verlor, fielen die Königreiche Ungarn und Böhmen aufgrund der dynastischen Erbgesetze an die österreichischen Habsburger. Diesen oblag nun die Verteidigung des Abendlandes, in dessen Zentralraum die Christenheit sich konfessionell zu spalten begann. Nach einer rund 150 Jahre währenden Herrschaft über den Großteil Ungarns scheiterten die Türken an der Belagerung Wiens und erlitten 1683 in der Schlacht am Kahlenberg jene Niederlage, die sich als eine politisch-kulturelle „Wende“ für ganz Ostmittel- und Südeuropa erweisen sollte.

1686 setzte bereits die Besiedlung Ofens (Buda, Teil des heutigen Budapest) und des Ofener Berglandes durch deutsche Bauern und Handwerker ein, und 1689 erließ Kaiser Leopold I. das erste Ansiedlungspatent zur Wiederbevölkerung des Erbkönigreichs Ungarn.

Nach dem Siege Prinz Eugens bei Zenta 1697 über die Türken griffen diese in den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714), eine krisenhafte Zeit für Österreich, nicht ein.
Als jedoch das neugestärkte Osmanische Reich erfolgreich die Republik Venedig angriff, sah sich Österreich gefährdet und begann 1716 unter Führung des Prinzen Eugen jenen siegreichen Türkenkrieg, der nach Eroberung von Temeswar und Belgrad 1718 mit dem Frieden von Passarowitz (Pozarevac) endete.

Denkmal von Prinz Eugen in Wien

Durch ihn wurde die Herrschaft der habsburgischen Kaiser über Westungarn, das Banat, die Batschka, Syrmien und Teile Bosniens abgesichert. In der Folge forderten die ungarischen Stände auf dem Landtag von Preßburg 1722/23 Kaiser Karl VI. auf, „freie Personen jeder Art“ in das Land zu rufen und mit entsprechenden Patenten in seinen Erblanden und im Reich zu werben.

Fortab bemühten sich die habsburgischen Herrscher Karl VI. (1711-1740), seine Tochter Maria Theresia (1740-1780) und deren Sohn Josef II. (1780-1790), das verödete und schwach besiedelte Land wieder zu bevölkern und eine wirtschaftlich sich selbst erhaltende „Vormauer der Christenheit“ zu errichten. Sie riefen zwischen 1722 und 1787 Kolonisten ins Land.

Denkmal von Kaiserin Maria Theresia vor dem Kunsthistorischen Museum in Wien
So kamen in drei „Großen Schwabenzügen“ (1723-1726; 1763-1771; 1784-1787) und in einer Reihe kleinerer etwa 150 000 Deutsche in die nördlich des Plattensees gelegenen Gebiete des ungarischen Mittelgebirges, in die südlich des Plattensees gelegene „Schwäbische Türkei“ (Komitate Baranya, Somogy und Tolna), in das Banat, die Batschka, Syrmien, Slawonien und in das in Nordostungarn liegende Sathmar-Gebiet.

Die südliche Grenze der Kolonisation bildeten die Flüsse Sawe und ab Belgrad in östlicher Richtung die Donau. Die Kolonisten stammten aus dem Elsass, aus Lothringen, aus der Pfalz, aus Baden und Schwaben, zu geringeren aus Teilen aus Rheinfranken, Bayern, Österreich und Böhmen, sporadisch auch aus dem Westfälischen.

Von einer Tendenz zu „germanisieren“ kann bei den Siedlungsaktionen Österreichs keine Rede sein. Es waren entsprechend den Lehren des Merkantilismus und etwas später des Physiokratismus stets Gründe der gesamtstaatlichen Zweckmäßigkeit, der wirtschaftlichen wie der militärischen Staatsräson, die zur Berufung von Bauern, Handwerkern, Beamten, Facharbeitern und Kaufleuten aus den Territorien des Reiches und der österreichischen Erblande führten. Zudem wurden neben den Deutschen auch ungarische, ruthenische und slowakische Bauern angesiedelt und, besonders im Banat, Serben und Rumänen aus dem türkisch dominierten Grenzland aufgenommen sowie Italiener, Franzosen und Spanier als Spezialarbeiter sesshaft gemacht.

Die Einwanderer erwartete in der sumpfigen Tiefebene und in den Schmelzbetrieben des Banater Berglandes während der Frühphase ein hartes Arbeitsleben. Entbehrungen und Seuchen ließen ganze Familien aussterben. Den neuen Bauern war aber der Übergang von der ungeordneten Feldgraswirtschaft und der Haltung halbwilder Herden zu einem effizienten Ackerbau ebenso zu danken wie den neuen Bürgern der Wiederaufbau der Städte und die Bildung eines gewerblichen Mittelstandes. Es entstand so die „Kornkammer der Monarchie“.

Das 19. Jh. war gekennzeichnet von einer überaus positiven wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung und biologischen Erstarkung der donauschwäbischen Dorfgemeinschaften und einer starken Tendenz des städtischen deutschen Bürgertums, sich vom erstarkenden Madjarentum assimilieren zu lassen. Der Madjarisierungsdruck verstärkte sich nach der staatsrechtlichen Gleichstellung Ungarns mit der österreichischen Reichshälfte im sog. „Ausgleich“ 1867. Diese Umstände verwehrten den Donauschwaben die Heranbildung einer eigenständigen geistigen Führungsschicht und die Ausbildung eines starken politischen Bewusstseins. Erst 1906 gelang Dr. Ludwig Kremling die Gründung der „Ungarländischen Deutschen Volkspartei“ und erst ab dieser Zeit entfalteten die historischen Heimatromane Adam Müller-Guttenbrunns ihre erweckende Kraft.

Obwohl von etwa 1880 bis 1910 rund 200 000 Donauschwaben aus wirtschaftlichen Gründen nach Übersee ausgewandert waren, lebten 1910 beispielsweise rund 390 000 Deutsche in 130 Gemeinden des Banates (23 Prozent der Bevölkerung), 190 000 in 44 Dörfern der Batschka (24,5 Prozent), 150 000 in der Schwäbischen Türkei (35 Prozent), 126 000 in Slawonien und Syrmien (11 Prozent) sowie 80 000 in Budapest (9 Prozent).

Die nach dem I. Weltkrieg im Vertrag von Trianon (4. Juni 1920) erzwungene Reduzierung Ungarns auf 31 Prozent seines Kernlandes ergab auch eine Dreiteilung des Siedlungsgebietes der rund 1,5 Millionen Donauschwaben auf die Nachfolgestaaten der Donaumonarchie. Das Ostbanat und Sathmar fielen an Rumänien, das Westbanat, die Batschka, das südliche Baranya-Dreieck, Syrmien und Slawonien an das neuentstandene Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat, ab Oktober 1929: Jugoslawien), die restlichen Siedlungsgebiete blieben bei Ungarn.